Wir lagen am Strand, der als breiter heller Gürtel in beiden Richtungen hinter dem Horizont verschwand, genossen die späten Sonnenstrahlen und warfen Steinchen in den Ozean. Die sanften Wellen trugen das Flüstern der Tiefe zu uns und nahmen das Schweigen der Wüste mit. Wir hatten Zeit. Sie fragte, glaubst du, es gibt da oben Wesen wie uns? Ich sah nach oben und wusste, was sie meinte. Ich sagte, ich bin mir sicher, das Weltall ist so gross, die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung von Leben ist erstaunlich hoch. Sehen die so aus wie wir, fragte sie. Wahrscheinlich nicht ganz, obwohl gewisse Ähnlichkeiten nicht auszuschliessen sind. Warum, fragte sie sofort. Ich sah sie an. Warum. Es gibt wohl nichts ehrlicheres, nichts echteres. Nun, holte ich aus, sehr viele Variablen spielen eine Rolle. Gravitation, die Menge der vorhandenen solaren Strahlung... Was ist Gravitation, fragte sie ernst. Die Kraft, mit der ein Körper einen anderen anzieht, sagte ich. So wie unser Planet diesen Stein anzieht. Ich zeigte nach unten, hob ein Steinchen auf und warf es ins Meer. Sie folgte konzentriert dessen Flugbahn. Je grösser die Masse, desto grösser seine Anziehungskraft. Gravitation, beendete ich. Sie nickte und sah mich wieder an. Warum ist das wichtig? Ich war bereit. Davon hängt die Form eines Lebewesens ab, die es im Verlauf der Evolution annimmt. Wieder ein ernstes Kopfnicken. Was noch? Der Anteil an Sonnenstrahlung, der durch das Magnetfeld und die Atmosphäre auf der Oberfläche ankommt. Ein bedeutender Teil davon ist nämlich ziemlich gefährlich. Hm, sagte sie und blinzelte kurz Richtung Sonne. Ausserdem ist Wasser unbedingt erforderlich. Wir sahen beide auf den Ozean hinaus. Ich kam in Fahrt. Es löst bestimmte Stoffe und schafft eine geeignete Umgebung für wichtige chemische Reaktionen. Natürlich braucht man flüssiges Wasser, daher muss auch die Temperatur halbwegs stimmen. Außerdem ist zumindest ein Mond von Vorteil, dadurch können höhere Lebewesen einen stabilen Repruduktionszyklus entwickeln. Und dann, fragte sie. Wenn alles stimmt, ist es nur noch eine Frage der Zeit. Aminosäuren fügen sich... Sie sah mich verzweifelt an. Also, relativ einfache Moleküle, die überall im Weltraum vorkommen, verbinden sich schliesslich zu immer komplexeren Ketten, sogenannten Proteinen, die wiederum die Bildung von Nukleotiden, den Bauteilen von DNA, begünstigen. Kenn´ ich, versicherte sie. Na bitte. Wenn die DNA komplex genug ist, um sich zu reproduzieren, ist der wichtigste Schritt getan. Doch dafür braucht es sehr viele Versuche. Unzählige Kombinationen entstehen und zerfallen wieder, bevor sich eine stabile Struktur bilden kann. Je nach Bedingungen eines Planeten sieht diese Struktur immer etwas anders aus, obwohl der Prozess stets den selben Gesetzen unterworfen ist. Daher wird uns ein Lebewesen von einer anderen Welt wahrscheinlich fremd und eigenartig, doch auch irgendwie vertraut vorkommen. Wir ihm natürlich auch. Vor allem deine große Nase. Sie kicherte und wich meiner Hand aus. Die hab´ ich von dir! Das stimmt, sagte ich und gestattete mir keine peinliche Pause. Sie fragte, aber wie viele Planeten gibt es? Ich stand auf und sah mich um und blickte zur Wüste. Wahrscheinlich so viele wie dieser Strand Sandkörner hat. Sie sah sich ebenfalls langsam um und mich dann etwas ungläubig an. Ich liess ihr ein paar Augenblicke Zeit und grinste. Schwimmen wir zurück? Wir sollten deine Mutter nicht länger warten lassen, sonst ist sie uns noch böse und es gibt kein Essen. Sie spielte ein besorgtes Gesicht und sagte, das können wir nicht verantworten. Dann sprang sie auf und schrie, ich bin schneller, und mit einem Satz war sie im Wasser, und die letzten grünen Strahlen der untergehenden Zweiten Sonne blitzten noch einmal auf ihren dunklen Flügelschuppen auf, und dann stiegen wir in einer steilen Spirale in die Tiefe hinab, fielen in Unterdruckzonen und nutzten Strömungen und sie führte die ganze Zeit, immer tiefer, nach Hause. Sie ist so groß geworden. Acht Monde. Wie die Zeit vergeht...
Samstag, 3. November 2007
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