Mittwoch, 26. Dezember 2007
Oh, du fröhliche...
Mittwoch, 19. Dezember 2007
Montag, 17. Dezember 2007
Scheiße.
So eine verfickte Scheiße. „Eine Scheiße ist das!!“, schrie Marcello Mastroianni einst, den Mund voll mit Brathähnchen. Er hatte recht, verfluchte Scheiße noch mal! Auf Dich, Marcello! Darauf, dass dein göttliches Talent dafür herhalten musste, den Leuten in so einfachen Worten das zu sagen, was zuzugeben sie nie bereit sein werden. Unsere Zivilisation, die Realität, das Leben, das wir uns geschaffen haben, ist Scheiße. Dünn geschnittene, scharf gebratene, mit Schlagobers aufgekochte, fein passierte Scheiße, und kein Musiker, kein Bildhauer, kein Schriftsteller wird je etwas daran ändern können.
Samstag, 15. Dezember 2007
Demokratie
Originalschreiben:
Übersetzung:
"Wir Teilen Ihnen mit, dass im Rahmen der 8. Sitzung der Allrussischen politischen Partei "Einiges Russland" die föderale Liste der Kandidaten für die Abgeordnetenwahl der Staatsduma der Föderalen Versammlung der Russischen Föderation registriert wurde, womit der Start des Wahlverfahrens eingeleitet wurde.
Auf Grund der aktuellen Jurisdiktion sind Sie berechtigt, freiwillige Spenden auf das Konto des regionalen sozialen Fonds der Unterstützung der RPP "Einiges Russland" der Stadt Kemerovo zu überweisen.
Wir bitten Sie, Hilfe zum Ziele der Finanzierung der Wahlkampagne im Umfang von 1 300 000,00 Rubel zu leisten.
Für weitere Informationen zur Leistung freiwilliger Spenden können Sie sich an das regionale soziale Fond der Unterstützung der RPP "Einiges Russland" der Stadt Kemerovo wenden, tel: 8-923-611-96-11.
(...)
Sekretär des Regionalen
Politischen Rates
der Kemerover Regionalabteilung
der Allrussischen politischen
Partei "Einiges Russland"
G.T. Djudjaev"
Das Antwortschreiben steht mir leider nicht zur Verfügung. Wirklich schade. Denn hier ist das Folgeschreiben:
Und die Übersetzung:
"An den Direktor der AG Sibirische Kohlenenergie Gesellschaft A.K. Loginov
Ihre Absage, der Regionalabteilung der Partei "Einiges Russland" finanzielle Unterstützung für die Durchführung der Wahlkampagne der Staatsduma der Russischen Föderation zu leisten, bewerte ich als Verweigerung der Unterstützung des Präsidenten W.W. Putin und seines konstruktiven Kurses.
Sehe mich gezwungen, die Administration des Präsidenten und des Gouverneurs des Kemerovskaja Oblast darüber zu informieren.
Sekretär des Regionalen
Politischen Rates
der Kemerover Regionalabteilung
der Allrussischen politischen
Partei "Einiges Russland"
G.T. Djudjaev"
Wer will ein Postscriptum?
Donnerstag, 13. Dezember 2007
...
Ohne Blick für die Wahrheit, sag?
Doch was ich zu verstehen vermag,
Muß ich teilen mit eurem Gewissen.
(Ist für euch nur dahingeschissen,
wenn ich euch einmal danach frag.)
Was bedeutet die Welt ohne Glaube?
Glaube schützt, Glaube schenkt uns Licht.
Wie das Lächeln in ihrem Gesicht,
Dessen ich mich so töricht beraube.
Was bedeutet die Welt ohne Sinn?
Sinnlos leben, wer kann das verkraften?
Nur muss selten der dafür haften,
Der nur trachtet nach seinem Gewinn.
Was bedeutet die Welt ohne Liebe?
Sie gebärt Passion und Gewalt.
Und so trete ich nassen Asphalt -
nur ein Rädchen in ihrem Getriebe.
Was bedeutet die Welt ohne Glück?
Seines Zeichens tragischer Ritter,
Trage ich vor dem letzten Gewitter
Dieses Kreuz, ohne Blick zurück.
(Oktober 2006)
...
Sie kredenzt mir Verständnis und Freiheit,
sie verscheucht Egoismus und Geilheit,
bläst den Sand aus meinem Getriebe.
Schon entschwindet mein Geist in der Ferne,
Tanzen Finger auf der Tastatur.
Dann vergess ich Moral und Zensur,
Und es gibt nur noch mich und die Sterne.
(Oktober 2006)
...
Drängt sich das Leben einem auf,
Wie schlicht!
So herrlich hilflos - ich, in seinem Angesicht.
Doch wie erhaben das Gefühl,
Den Wettlauf mit der Zeit zu spüren,
Das Feuer des Moments
In sich zu schüren,
Blind, einem Falter gleich,
Zu fliegen in das Licht.
Und nur um, dieses kaum begreifend,
Zeit eines Lebens einen Vektor suchend,
Über die Fülle an Faktoren fluchend,
Es nur zu sehen, nie erreichend.
Der Fluss des Lebens, seine Logik,
Von der der Lyrik ganz zu schweigen,
Ist nur ein Hauch Mathematik,
Vor ihr will ich mein Haupt verneigen.
(2004)
...
Natur und Grund erkenne deiner Lust.
Verleiten lassen darfst dich nicht vom Zweifel du
denn Angst daraus entsteht, wirst finden keine Ruh´
du, wenn ihr Macht du gibst,
wenn fürchtest zu verlieren, was du liebst.
Und Zorn Besitz ergreifen von dir wird sogleich,
der Wut ist er ein Bruder, viel zu leicht
der Weg zu purem Hass für dich dann wird,
unweigerlich zur Dunklen Seite er dich führt.”
(2005)
...
Ich fokussiere mühsam durch der Tränen Schleier.
Im Augenblick bin ich zwar ziemlich meier,
Doch wieder schlagen will dies müde Herz.
Mein Blick fängt wieder langsam an zu wandern
durch dieses Zimmer, dieses düstre Schlafgemach,
in dem sie lag, einst, nackt und müde aber wach,
das ich nun teile mit der unbekannten Ander´n.
Verdammt soll sein der ferne bitt´re Tag,
als ich den Fehler machte, sie zu provozieren.
Und herzlichst wenig bringt´s, zu reflektieren,
wenn herzuzaubern ich sie nicht vermag.
Und so betrachte ich den Körper dieser Kleinen,
die Leidenschaft heut Nacht von mir erfuhr.
Sie schläft. Ich höre nur das Ticken ihrer Uhr
und fange wieder lautlos an zu weinen.
(10-12 Oktober 2006)
...
In einer dunklen Nacht mir einen Pfad erleuchten.
Als würden plötzlich in der nuklear verseuchten,
Längst toten Erde Rosen blühen. Nur zu gerne
Würd ich dich bitten, ewig hier zu bleiben
Um dir des Nachts beim Schlafen zuzusehen,
Mit dir gemeinsam Stürme zu bestehen;
Und dir Millionen von Gedichten schreiben.
(Mai 2006)
Mittwoch, 5. Dezember 2007
Sympathy for the Bomb.
So viele Bomben
werden gezündet, jeden Tag,
aus mannigfaltigsten Gründen.
Aus der Überzeugung,
rechtschaffen zu handeln
und dem göttlichen Plan zu entsprechen.
Aus Gründen, alsbald erörtert und verdammt,
als nichtig abgetan
von Hinterbliebenen,
als unmenschlich gebrandmarkt
von Regierungen,
die sich vor Bomben fürchten,
und sie dennoch auch verwenden,
(aus Sicherheitsgründen)
aus eigenen Gründen,
die stets rechtschaffen sind
und dem göttlichen Plan entsprechen.
Also kann ich doch auch eine Bombe zünden,
aus meinen eigenen Gründen.
Und niemanden muß ich fragen,
denn meine Gründe sind rechtschaffen
und dem göttlichen Plan entsprechend.
Denn wer kann den schon kennen?
Warum kann es nicht meine Bombe sein?
Samstag, 24. November 2007
Kapitel 1
Der Grosse Stein war wärmer als die Umgebung. Der Krieger legte dankbar die Handflächen darauf und lächelte müde in sich hinein. Es war nur ein Stein. Gross und flach und warm und wie geschaffen für eine Rast, aber nur ein Stein, was kümmerte ihn der Grund. Dem Stein war es sicher egal.
Man sagt, die Grossen Steine beziehen ihre Wärme aus dem tiefsten Inneren der Erde, und so werde es immer sein, auch wenn der letzte Mensch seinen letzten Atemzug getan hat. Dann wird niemand da sein, um es zu bezeugen, dachte er. Oder vielleicht wird der letzte Mensch auf diesen Hügel steigen, um seinen letzten Sonnenaufgang willkommen zu heissen und es herauszufinden. Würde er enttäuscht sein zu erfahren, dass vor langer Zeit schon einmal jemand hier gesessen hat, oder würde es ihm seine Einsamkeit versüssen? Nach kurzem Zögern zog er einen silbernen Ring vom Mittelfinger der linken Hand und legte ihn neben sich auf den Stein. Hier wird er die Zeit bis zum letzten Sonnenaufgang überdauern, dachte er. Denn es ist verboten, sich den Grossen Steinen zu nähern, daran wird der Tod des Drachen nichts ändern. Denn die Menschen ändern sich nicht. Sie hüten alte Ängste mehr als neue Hoffnungen. Vertrauter Schmerz ist ihnen willkommener als frischer Mut.
Die Sonne liess immer noch auf sich warten. Es konnte nicht mehr lange dauern. Die linke Schulter pochte nur noch und blutete kaum. Komisch, denn die Wunde schien tief zu sein. Er hatte gespürt, wie die lange gebogene Kralle einen Knochen streifte. Die Wunde könnte sich infiziert haben, möglicherweise stirbt er gerade an dem Gift des Drachen – noch ein hartnäckiges und nie nachgewiesenes Gerücht. Vielleicht sollte er sich kurz hinlegen und sich von dem Stein wärmen lassen. Nicht schlafen, nur kurz die vor Müdigkeit brennenden Augen schliessen. Wann hatte er zum letzten Mal geschlafen? Er wusste es nicht. Seine Augenlider fühlten sich zu schwer an, um offen zu bleiben. Sein Kinn sank langsam auf die Brust, sein Atem wurde flach. Nur noch das Herz schlug seinen Takt, aber die Abstände wurden langsam grösser. Noch wenige Augenblicke, und aller Schmerz dieser Welt würde ihm für immer erspart bleiben. Die Sonne konnte ihm gestohlen bleiben.
In Zeitlupe hob sich seine rechte Hand, bewegte sich leblos zur linken Schulter, umfasste sie und drückte den Daumen mit aller Kraft in die Wunde. Der Krieger schrie auf, als der Schmerz seinen ganzen Körper durchdrang und ihm Tränen in die Augen trieb. Er verlagerte sein Gewicht nach vorne, stiess sich mit tauben Füssen ab, schnaubte und kippte vornüber ins vereiste Gras, wo er einige Sekunden lang liegen blieb, nach Atem ringend. Er schmeckte Blut. Mit jedem Herzschlag sendete seine Schulter verzweifelte Signale in Form von fürchterlichen Hitzewellen aus. Jedes Mal, wenn sie seinen Kopf erreichten, sah er Sterne. Er versuchte, den Kopf zu heben, und stöhnte, als ein starkes Schwindelgefühl ihn überkam, so als hätte die Welt um ihn herum plötzlich eine halbe Drehung nach hinten und dann eine volle nach vorne vollführt. Er erbrach laut und glaubte, sein gesamtes Inneres nach aussen zu stülpen. Aber was herauskam, war nur saure Luft. Er spuckte ein paar Mal und schaffte es schliesslich, die Augen nach vorne zu richten. Durch die Spitzen der Baumkronen am Horizont loderte die grelle Scheibe der aufgehenden Sonne.
„Interessant.“, sagte eine klare Stimme hinter ihm. Sagte es höhnisch, aber er hatte keine Kraft, um zornig zu sein.
"Verzieh dich.", sagte er, und nur ein Krächzen kam heraus.
"Wie bitte?", fragte die Stimme.
"Geh weg, Dämon.", wiederholte er, und diesmal gelang es etwas besser.
"Ohne Kenntnis meiner Identität schickt er mich fort? Ist das sein Ernst?", fragte die Stimme.
"Lass Ernst aus dem Spiel.", grinste der Krieger -eher ein wölfisches Zähnefletschen- und wirbelte auf den Knien herum. Rechte und linke Hand schleuderten gleichzeitig zwei kurze Wurfmesser in Richtung der vermuteten Quelle der höhnischen Stimme. Die Klingen schnitten zielsicher durch die kalte Morgenluft – und trafen ins Leere, segelten über die Klippe auf der anderen Seite des Drachenhügels, zum tiefen Fall verdammt. Die verletzte Schulter sandte beleidigt weitere Schmerzwellen durch seinen müden Körper.
"Jung ist er, der Recke. Talentiert. Jedoch ungeduldig. Nicht gelernt hat er, seinen Augen zu vertrauen. Entschlossenheit allein wird ihm seinen Weg durch das Dunkel nicht erleuchten können.", sprach die Stimme, jetzt von seiner linken Flanke, und gespielte Enttäuschung lag darin. Er blickte um sich, doch da war nichts auf jenem Hügel. Nur er und der Kadaver des Drachen, dessen dunkles Blut das welke Gras endgültig tötete, teilten den verbotenen Boden. Die junge Sonne spielte in den silbernen Schuppen des einst mächtigen Rückens der Kreatur.
"Zeig dich, Dämon.", fauchte er und ergriff zwei weitere Messer.
"So überzeugt ist er, einem Dämon gegenüberzustehen. Warum verschwendet er dann seine Messer?", wunderte sich die Stimme direkt vor ihm, aber noch immer keine Spur von ihrem Besitzer.
"Gefährlicher als ein Dämon ist nur, wer sich für einen ausgibt.", sprach er und sah es endlich. Über dem Stein, dessen trügerische Wärme ihn fast um sein Leben gebracht hatte, brach das Licht leicht und liess eine verschwommene Sillhouette erkennen, deren Fläche die Steine und den Kadaver hinter ihr verzerrten. Die Gestalt schwebte über dem Boden, und das, was ihr Kopf sein mochte, war neugierig (spöttisch?) zur Seite geneigt. Er ließ die Messer sinken.
"Was bist du?", fragte er, aber der kupferne Vorgeschmack eines Verdachts breitete sich bereits auf seiner Zunge aus.
"Nicht alles, was eines Körpers entbehrt, entbehrt eines Bewusstseins. Nicht alles, was des Bewusstseins entbehrt, ist frei von Stolz. Wir jedoch haben beides und sind daher wer, nicht was.", sagte das Ding und machte eine vielsagende Pause, während es ganz langsam und gemächlich in seine Richtung zu schweben begann. Es spielte den Lektor.
"Ich verbeuge mich nicht vor atmosphärischen Erscheinungen.", sagte er, aber es klang nicht so selbstsicher, wie er es vorgehabt hatte.
"Und doch steht er auf den Knien." Die Gestalt schien amüsiert.
"Nicht deinetwegen, Flikker.", spie er grimmig aus. Ein Teil von ihm fragte sich, durch den Schmerzschleier hindurch, woher er dieses Wort kannte. Und warum er das Gefühl hatte, es richtig angewendet zu haben. Er steckte die Wurfmesser ein, stellte ein Bein auf und erhob sich langsam, seine Schulter haltend. Für einen Moment wurde ihm schwarz vor Augen, und er verharrte, vornübergebeugt, und befürchtete, wieder hinfallen zu müssen. Doch schliesslich wurde die Dunkelheit von einer Handvoll heller Flecken abgelöst. Mit einem letzten leisen Stöhnen, das er sich gern verkniffen hätte, richtete er sich auf.
"Er kennt uns also doch. Zumindest unseren Namen. Er erinnert sich.", freute sich die Gestalt sichtlich (hörbar), und doch war da etwas unechtes an dieser Stimme, etwas alarmierendes. Es schwebte sanft von dem Stein herunter und auf ihn zu.
"Eine kuriose Kandidatur. Und so herrlich unwissend.", zischelte es schlangenartig.
"Bleib weg von mir. Was willst du?", stammelte er. Plötzliche Panik mischte sich in seine Stimme. Irgendwie kannte er die Antwort, konnte aber nicht danach greifen. Er taumelte einige Schritte rückwärts, und behielt wie durch ein Wunder das Gleichgewicht. Etwas quälend Vertrautes war an diesem Augenblick, an diesem Ding, wie ein starkes dejá vù. Nur schien dieses Gefühl nicht singulär, sondern verschachtelt in sich selbst, in einer endlosen Anzahl unzähliger Varianten dieser Situation. Er bekam keine Luft. Seine Finger griffen hilflos nach dem Kragen seiner Lederrüstung und rissen an den Schnüren. Seine Schulter dröhnte, und der Kopf dröhnte mit, er fühlte, wie seine Knie nachgaben und er nach hinten kippte, doch es gab keinen Aufprall, er fiel weiter, tiefer und tiefer und dann war da nur noch Dunkelheit.
Der Hirte wusste gleich, dass etwas passiert war. Was genau, das liess sich nicht sagen. Noch nicht. Etwas Wichtiges. Etwas Ungewöhnliches, was vielleicht noch gefährlicher war. Allein der Gedanke daran erzeugte eine vergessen geglaubte, bis jetzt im Verborgenen schlummernde Vibration, die nun in Wellen durch seinen Körper wanderte, Gänsehaut hinterlassend. Dennoch zögerte er noch lange, trank zwei Schalen Tee, stopfte zwei Mal die Pfeife und klopfte sie zwei Mal auf dem Tisch aus, stocherte mit der Messerspitze in der Asche herum, wodurch er sich zwei strafende Blicke von der Frau einfing, die sich zu diesem Zweck zwei Augenblicke lang von ihren Kräuterbündeln löste. Dann stand er seufzend auf, schlenderte über die quietschenden Dielen zum Feuer des Kamins, ging in die Hocke und legte behutsam zwei Holzscheite nach, rückte sie über der Glut zurecht, so dass die Flammen alle Seiten zu fassen bekamen. Das Feuer umspielte seine Finger, versuchte, nach ihnen zu greifen, doch die erfahrene Hand fürchtet das Feuer nicht. So wie der erfahrene Mann nicht das Leben fürchtet, dachte er. Nach all diesen Jahren war es wohl wieder an der Zeit. Er richtete sich wieder auf, steckte die Hände in die Hosentaschen und liess seinen Blick durch den Raum wandern. Kamin und Öllampe hüllten die karge Einrichtung in tänzelnde Schatten, liessen sie nach mehr aussehen, verliehen dem Zimmer Tiefe. Die Frau passte gut hinein, gaukelte Sicherheit vor. Er ging zurück zum Tisch, steckte das Messer in die Scheide an seinem Gürtel, nahm die alte Jacke von der Wand und zog sie an. Hinter ihm raschelte ein Kräuterbündel.
"Wenn du dich wieder besäufst oder zu dieser Hure gehst, brauchst du nicht wiederzukommen.", sagte sie kalt.
Wenn du wirklich leben würdest, bräuchte ich weder das Eine, noch das Andere, dachte er.
"Sie ist keine Hure.", murmelte er. Er sah sich um, überlegte kurz, nahm das faustgrosse Stück Brot vom Tisch und wickelte es in ein sauberes Tuch. Dann goss er den restlichen, mindestens so starken wie dunklen, Tee in die verbeulte Feldflasche und machte sie mit dem Vogelbeerbrand aus der grossen Bouteille voll. Er spürte ihren Blick auf seinem Hinterkopf, spürte die Frage in ihrem Geist auflodern, noch bevor sie sie aussprach:
„Was ist los?“ Besorgnis in ihrer Stimme.
Er stopfte Brot, Flasche, Tabak und Pfeife in den betagten Lederrucksack. Er ging in die Kammer, wühlte durch die Regale und kam mit Verbänden, einem Bündel Lederriemen, einigen Kräuterbündeln und einer kleinen Axt, die er hinter den Gurt steckte, heraus. Dann verstaute er alles in dem Sack, schwang ihn sich über die Schulter, nahm den guten Nussbaumstock und stiess die Tür auf. Eine klare, lauwarme Augustnacht hiess ihn mit frühem Mondlicht willkommen. Nur noch ein schmaler Strich fehlte zum Vollmond. Morgen also. Er musste die Nacht nutzen. Zikaden schrien ihre Leidenschaft hungrig dem Himmel entgegen, und Glühwürmchen kämpften verbissen gegen die Leuchtkraft der Sterne an. Am Rande der Wahrnehmung, tief in den Wäldern, heulte ein Wolf einen Bruder an, gefolgt von einer bereitwilligen Antwort, deutlich näher. Sein Schatten erstreckte sich über den kleinen Hof, eingerahmt vom warmen Schein der Häuslichkeit, die er hinter sich lassen würde, sobald er diese Tür schloss, womöglich für immer. Dieses Gefühl von Präsenz, von Realität, hatte er lange nicht mehr verspürt. Vielleicht zu lange. War er noch stark genug? Mutig genug? Ist er es jemals gewesen?
„Geh nicht.“ Nun zitterte ihre Stimme. Sie hatte endlich verstanden. Preiset den Herrn. Sie verstand, nicht zu verstehen, aber das reichte. Sie war es gewohnt, nicht zu verstehen. Sie kannte das Gefühl, sträubte sich davor, zu begreifen, wehrte sich gegen das tödliche Wissen, und dieser Kampf raubte ihr alle Kraft, saugte ihr das Leben aus, liess sie angsterfüllt dahinvegetieren. Angst ist genügsam, und sein mächtigster Verbündeter. Angst vor Verlust, die Stärkste von allen. Ihre einzige Form, eigentlich. Er hatte auch Angst, nur ein Narr hätte keine. Aber hatte er eine Wahl? Hat man nicht immer eine Wahl? Sagt man das nicht so, „des eigenen Glückes Schmied“? Nur ein Narr denkt dabei an Glück. Er seufzte und blieb mit dem Rücken zu ihr stehen.
„Es wird alles gut.“, sagte er und zwang sich, ruhig und überzeugt zu klingen. Schweigen füllte den Raum. Nur das Holz im Kamin barst zwei Mal und ließ sie zwei Mal zusammenzucken. Ganz leicht.
„Und wenn er dich..?“, fragte sie und zitterte und wagte nicht, es auszusprechen.
„Das ist nicht seine Entscheidung.“ Er sah es nicht, spürte aber, das sie weinte. Er blickte zu den Sternen, sah jedoch nur ihre Augen, die sich mit Tränen füllten. Augen, die er einmal geliebt hatte.
„Wenn der Vollmond ohne mich untergeht, verkauf das Vieh und fahr zu deiner Schwester.“, sagte er über die Schulter. Und wenn ich mit ihm untergehe, so sei es, dachte er und trat hinaus in die Nacht,
nach Westen. Vorbei an der windschiefen Hütte des blinden Iosif, dessen unzählige (ausnahmslos erlogene, aber meisterhaft dargebrachte) Geschichten über den Heiligen Krieg jedes Saufgelage erheiterten. Vorbei an der einzigen Dorfschänke, in der ebenjene Saufgelage jede Nacht stattfanden (so auch jetzt, dem Licht und dem Grölen nach zu urteilen). Vorbei an der Schmiede, deren helles Hämmern tagsüber viel vom Leben des Dorfes, die junge Tochter des Schmieds wiederum, Susanna (vom Vater behütet, von den Männern begehrt, beneidet und gefürchtet von deren Frauen), viel von dessen Schönheit ausmachte. Vorbei an der alten Kapelle, die in den letzten zehn Jahren vier Mal samt Priester abgebrannt und nie richtig restauriert worden war. Vorbei an dem seit Menschengedenken verlassenen Haus am Dorfrand, das beständig den Ruf eines Geisterhauses unter den Halbstarken aufrechterhielt, indem es, infolge von Mutproben, regelmässig für gebrochene Arme und Beine sorgte. Vorbei an den leerstehenden Pferdeställen und ewig provisorisch umzäunten Maisfeldern.
Weit hinter ihm gedämpfte heitere Laute. Der Hirte blieb stehen und blickte über die Schulter zu den Lichtern der Schänke zurück. Der Stammtisch hiess wohl gerade ein weiteres Mitglied willkommen. Etwas in ihm wollte umkehren, den Weg bis zur Schänke zurücklegen und reinplatzen, wie so viele Male zuvor. Ein grölendes Wilkommen war auch ihm garantiert. Männer würden näher zusammenrücken, ihm einen Platz in ihrer Mitte freimachend, schwielige Farmerhände würden auf seinen Rücken klopfen, die rosige Martha würde lächeln und ihm kokett zuzwinkern, ihm einen Krug Bier hinknallen und dabei seine Schulter mit ihrer voluminösen Brust streifen, rein zufällig, versteht sich. Das Zwinkern nun von den anderen Gästen hinnehmend, (alle wussten von Marthas Schwäche für den Hirten, der nicht nur einmal ihre Wärme erfuhr) würde er in die Runde blicken und etwas simples und warmherziges sagen. Männer würden nicken und Hört, Hört murmeln und ihre Krüge auf eine gute Ernte erheben. Alles wäre beim Alten.
Alles, aber auch nichts. Denn er würde es wissen. Und jenes Wissen könnte er mit niemandem teilen. Nicht einmal mit Martha, die für Trost geschaffen schien. Nicht, weil ihm niemand glauben würde. Es war einfach keine Sache, die Mitwisser duldete. Geheimnis der Person, jene Methode der Entscheidung, die sein Meister ihn lehrte, angewendet auf alle Zeiten, alle Welten, alle Schicksale. Er drehte sich wieder um, atmete drei Mal tief ein und aus und setzte seinen Marsch fort.
Von hier zog sich der staubige Weg hinunter zum Fuss des Hügels, schmiegte sich eine Meile lang an den eiskalten und steinigen Krötenbach (der längst keine Kröten beherbergte), durchquerte diesen brückenlos, wand sich in der Ferne, am alten Friedhof vorbei, den Kahlen Berg hinauf, dessen unerwartet dichtbewaldete Flanken reich an Pilzen und Wild waren, umschrieb die felsbesetzte Bergspitze und mündete auf der anderer Seite in Brukk. Brukk stellte das Tor zur Welt. Von dort aus schlängelten sich ebenso staubige Wege weiter nach Westen und Süden entlang des mächtigen Uanod, raus aus dem Hügelland, hinein in Kaiserliche Ländereien, und noch weiter, bis nach Kaiserstadt, mit ihren prächtigen Weingärten und Palästen, von alten Ouri-Bäumen überschattet, und dem schier grenzenlosen, pulsierenden Marktplatz, voller wundersamster Dinge und Gerüche.
Jenen Marktplatz sah der Hirte nur ein Mal, vor vielen Jahren, noch als Kind. Sein Vater hing in dessen Mitte, zusammen mit zwei Kumpanen und dem Hehler, der das Tafelsilber ankaufte. Es war Hochsommer und die Krähen machten sich gerade über ihre Augen her und stritten mit der bunten Hundemeute enthusiastisch um die besten Plätze. Der Soldat in der atemberaubend schimmernden Rüstung drückte ihm eine Silbermünze in die Hand, raufte ihm grob das Haar und liess ihn vor dem Schafott stehen. Drei Tage lang hingen die Leichen inmitten des geschäftigen Treibens. Drei Tage lang irrte er durch die endlosen Marktreihen, entfernte sich in einer unbewussten Spirale immer weiter von dem tödlichen Zentrum, dem Herzen dieses atmenden, sich ständig zersetzenden Organismus, umgeben von Tier- und Pflanzenleichen jeglicher Art, die immerzu zerhackt, gewogen und von menschlichen Krähen stückweise davongetragen wurden, unter immerwährendem, heiterem Streit. Er kaufte nie etwas. Die Silbermünze des Soldaten war sicher in seiner Faust verwahrt, diese wiederum in seiner Hosentasche, doppelt hält besser. Wenn er Hunger hatte, klaute er. Wenn er müde war, versteckte er sich in einer der zahllosen Wucherungen aus Getreidesäcken, Abfall und Holzkisten aller Grösse und Form, die er sich stets mit der unerwartet toleranten Hundemeute teilte.
Am vierten Tag erwachte er in einer leeren Obstkiste, überwand das Bedürfnis, das Loch im Magen zu verdrängen und den Schlaf des Vergessens wieder über sich hereinbrechen zu lassen, schlug vorsichtig die Plane zur Seite und erstarrte. Einen Fuss von seinem Gesicht entfernt hockte die hässlichste Marktkrähe, die er je gesehen hatte, auf dem Rand seiner Kiste und betrachtete ihn, den Kopf schiefgelegt, mit einem tiefschwarzen glasigen Auge. Jener Blick war unendlich kalt, unberechenbar, bedrohlich. Sie hatten ihn aufgespürt, überfallen, in die Ecke gedrängt. Er hätte schreien können, danach schlagen. Letztendlich hätte wahrscheinlich die kleinste Bewegung den unheimlichen Vogel verscheucht. Doch er war wie gelähmt. Jegliche Kraft war aus seinen Gliedern gewichen. Die Krähe schien seine Angst zu riechen und hüpfte seitwärts auf dem Rand, verringerte den Abstand zu seinem Gesicht. Er begriff plötzlich, dass sie nicht davor halt machen würde, von dem Weiß seiner Augen zu kosten, probeweise, und dass er nichts dagegen unternehmen würde, es nicht konnte. Und als der furchtbare Vogel den abgewetzten Schnabel öffnete und einen kehligen Laut von sich gab, kam dieser ihm vor wie ein Wort, ein fremdes, böses, mächtiges Wort, das ihn mit dem schrecklichsten aller Flüche zu belegen suchte. Jetzt erst kam der Schrei, drang aus ihm heraus wie eine versiegt geglaubte Quelle, stieß mit schmerzendem Druck seine sandige Kehle hinauf, schwoll zu unmenschlicher Lautstärke an, betäubte ihn selbst. Gleichzeitig strampelte er und fuchtelte panisch mit den Armen, schlug so heftig um sich, als wäre er in einer Spinnengrube erwacht, polterte mitsamt seiner Kiste zu Boden und brachte den halben Schuttberg zum Einsturz. Die Krähe schwang sich spielerisch in die klare Morgenluft, drehte ein paar Kreise über ihrem Opfer und zog, spöttisch keifend, von dannen, liess ihn in dem Müll zurück.
Der Hirte schüttelte trotzig den Kopf und brach die Erinnerung ab, verjagte sie in einen hinteren Winkel seines Geistes. Er brauchte jetzt einen klaren Kopf. Er war noch nicht in Gefahr, aber das würde sich schnell ändern. Und wenn es soweit war, musste es bereit sein. Bereitsein ist alles.
Zu seinen Füssen wand sich der Krötenbach rauschend durch sein steiniges Bett, spielte nebenbei mit dem Mond. Nach den üppigen Regenfällen der letzten Wochen führte er reichlich Wasser. Die Ernte versprach Überschuss. Vielleicht sollten sie dieses Jahr ein paar Taugenichtse aus Brukk hinzuziehen. Der Hirte ging in die Hocke und spritzte sich eine Handvoll eiskaltes Wasser ins Gesicht. Er spielte kurz mit dem Gedanken, die Wasserschläuche zu füllen, entschied aber dagegen. Wasser war jetzt nicht das primäre Problem, zusätzliches Gewicht wäre jedoch hinderlich; der kommende Tag würde ihm möglicherweise das letzte Bisschen Kraft abverlangen. Er rückte den Rucksack zurecht, hielt den Stock fest und überquerte das Wasser mit wenigen kraftvollen Sprüngen; seine Füsse fanden, der Dunkelheit zum Trotz, zielsicher Halt auf den rutschigen Steinen, die manch einen geschickten Jüngling zu Fall gebracht hätten. Nasse Füsse waren jetzt das letzte, was er brauchte. Die Wölfe würden sich über eine überdeutliche Fährte freuen, und sie waren nicht das Schlimmste, das ihm heute Nacht passieren konnte...
Am anderen Ufer des Bachs hielt er abermals inne und wagte einen letzten Blick zurück. Die wenigen Lichter des Dorfes lagen weit hinter ihm und schimmerten vage über dem Hügel. Vor ihm breitete sich majestätisch die Namenlose Ebene aus, deren üppige Wiesen so sehr von den Herden der umliegenden Dörfer geschätzt wurden.
Er war nun an der äußersten Grenze der Sicheren Gebiete angelangt. Hier fing das Niemandsland an, voller Mysterien und Gefahren. Der kalte Nebel des Morgens brach bereits langsam über das Land herein, kroch von den Hügeln herab, verprach einen neuen Tag, möglicherweise den letzten.
Mittwoch, 14. November 2007
Themawechsel
He said he´d have one with everything...
Memories of the future...
Einmal, mit dreiundzwanzig, es muss später Frühling gewesen sein, warm und behaglich, da überkam mich ein sehr eigenartiges Gefühl, so als hätten all die Stühle und Bilder und Wände und Häuser und Tauben und Menschen und Autos und Bäume und Städte und Berge und Planeten und Sternhaufen plötzlich aufgeleuchtet und gesagt: wir sind hier, ehrlich.
Ich richtete mich auf und sah mich verwundert um, während mein Geist versuchte, das neuartige Gefühl zu kategorisieren. Ich schien die gesamte Struktur des mich umgebenden Kosmos auf einmal sehen oder eher spüren zu können. Er umgab mich wie eine warme Decke, frisch und sicher. Es war unglaublich. Die Welt, wie sie sich bislang zu erkennen gab, hatte vieles verheimlicht, nun kam sie mit einem vehementen Ruck in Bewegung und für einen Moment sah ich die Räumlichkeit hinter der zweidimensionalen, platten Realität. Mehr noch: ich verstand, das es gut war, gesund, bedeutend. Alles, was ich ansah, strahlte filligran strukturierte Richtigkeit aus. Jeder noch so chaotische Vorgang roch nach Ordnung.
Drei oder vier Tage lang war ich wie verzaubert. Erstaunt schwebte ich durch Zimmer und Gassen und hieß jede Fliege, jede Wolke, jedes Blatt, jedes Wort, jedes Härchen in ihrem Nacken, jeden Augenblick in meiner neuen Welt willkommen. Das Universum ist von absoluter Schönheit. Seinen Gesetzen unterworfene Dinge können nur schön sein, ungeachtet menschlicher Ängste und Hoffnungen. Alles Erkennbare erbringt täglich den nötigen Beweis dafür. Wichtig ist die Perspektive, die Erkenntnis der Zussammenhänge. Diese Erkenntnis hatte ich ganz plötzlich erlangt. Wie ein Geschenk. Es war eine echte Erleuchtung. Und auch das verstand ich sofort. Mein Herz war erfüllt von tiefster Dankbarkeit, in einem Meer von Verständnis. Alle zehn Minuten hätte ich weinen können. Immer wieder war es schlicht notwendig, ich war bereits völlig übersensibilisiert; der Informationsfluss war immens; ein Blick auf jede Struktur, jeden Prozess ergab einen Schwall an Emotionen. Alle Sinne, jeder Gedanke waren nach Aussen gerichtet, jedoch in einer völlig neuen Form: ich war auch Aussen. Der Himmel schien sich in all seiner Unendlichkeit über mir zu erstrecken und ich war Teil des Himmels. Dann heulte ich vor Freude und Hochgefühl und der Himmel heulte mit mir. Ich trank unsere Tränen und roch den Staub und streichelte die nassen Wolken, der späte Mond liebkoste unsere Gesichter mit Licht aus zweiter Hand, das mir Gänsehaut bescherte, und Katzen beäugten uns nachsichtig, aber anerkennend, und grinsten verlegen.
Drei Wochen lang begleitete es mich noch, jenes Licht, langsam an Farbe und Detail verlierend, wie jede Erinnerung. Beinahe euphorisch suchte ich, den Zustand der absoluten Resonanz aufrechtzuerhalten und dachte nach, und hörte Musik (und hörte mich in jeder Strophe, und heulte wieder), und schrieb, nicht gezielt, eher meditativ, zaghaft zunächst, und hielt die Erfahrung einer Erkenntnis in mir aufrecht, einem Heiligtum gleich.
Doch die Vergangenheit hat die Angewohnheit, zu verschwimmen, bis auf ein paar logische Knotenpunkte, etwas, aus dem sich eine erkannte Wahrheit ungefähr rekonstruieren lässt. Bruchstücke der Vergangenheit überlagern und verdrängen einander, verzerren die Zeit, verfälschen das Gesamtbild, nehmen Wunschformen an; alles, was bleibt, ist die Erinnerung an etwas Wichtiges; man verliert den Kontext. Dennoch hinterliess das Ereignis eine süss schmerzende Narbe, die ich seitdem zu streicheln pflege, hin und wieder, in dem Wissen, jenes Gefühl niemals vollständig zu verlieren, jenen Zustand der vollkommenen und allumfassenden, göttlichen Liebe.
Dienstag, 6. November 2007
Nebenbei...
Iraq : ~650000
Montag, 5. November 2007
Und doch...
Der ferne Ball aus Feuer, Gas und Fusion,
Der hell erleuchtet jeden Morgen diese Erde,
Der Herr sein möge jeder meiner Vision.
Er seine Wärme sende jeder Herde,
Er Schein erzeuge durch der Wolken Schicht.
Er, den ich einmal berühren werde,
Er bringe Hoffnung, bringe ewig Licht.
Wort zum Montag
Kann nicht atmen in dieser euren neuen "freien" Welt, die jene "Freiheit", jenen Fortschritt und Wohlstand mit Joghurt fressenden, sich eincremenden, krampfartig lächelnden Gesichtern der Werbung propagiert, und doch nur Reichtum für die ohnehin Reichen meint, als Ausgleich für ihre verlorenen Seelen;
die mir Sicherheit und Sorglosigkeit suggeriert, um dem Dilemma der Gewissensfrage zu entgehen, sich abzusichern gegen jegliche Verantwortung des Staats gegenüber dem Individuum, mich meine Bedürfnisse zurückstecken zu lassen gegenüber der Konjunktur (sprich: Gott), der demographischen Verschiebung (sprich: göttliche Strafe), dem nächsten Anti-Terror-Krieg (sprich: göttlicher Auftrag), und mir meine vermeintlichen Ziele in Form der neuen S-Klasse-Anti-Aging-Dolby-Surround-HighEnd-Cappucino-Maschine vorwegnimmt, nur um mich klein zu halten, in der (berechtigten) Hoffnung, meine Sensorik dermassen zu überlasten, dass jeglicher Widerstand im Keim erstickt wird;
die meinen von Schmerz und Sehnsucht und der Scham vor dem Begreifen, von sogenannten legalen (Lucky Strike/AlkoPops) und sogenannten illegalen (Cannabis) Drogen zerrütteten Organismus jederzeit mit Pickelabsaugung, Oberlippenpeeling, Augenlidstraffung, bottox-Einlauf und Schliessmuskelimplantat zu Leibe zu rücken trachtet, weil mein Anblick das kompositionelle Empfinden des kunstbewandten Auges eines Bank-Sack-Lackaffen zu beleidigen droht;
die mir, trotz angeblichem Recht zur Selbstentfaltung, vorschreibt, was und zu welchem Anlass ich zu essen, anzuziehen und zu sagen habe, in Abhängigkeit von der Vertretbarkeit aus wirtschaftlicher, religiöser, politischer und ethischer Sicht, in genau dieser Reihenfolge. Das moralische Kriterium scheint dabei überholt und den Ansprüchen der "Öffentlichkeit" nicht gewachsen und führt nunmehr haupsächlich in dem heiligen Krieg um die Freiheit der in Legebatterien stellvertretend inhaftierten Hühner sein Schattendasein;
die mich, sobald meine Psyche sich in einem letzten Kraftakt aufbäumt und gegen die Bleikernstreben des vergoldeten Käfigs meines gefälligst glücklichen Daseins drückt, sogleich zu medikamentöser "Behandlung" meiner psychischen "Krankheit" greift, mir je nach schubladenhafter Klassifizierung Antidepressiva oder Speed oder Sedativa verabreicht, pauschalisierte stationäre Aufenthalte in psychiatrischen Anstalten zuordnet, unter grossem Aufwand meine Resozialisierung (das eigentliche Ziel) in Angriff nimmt und meinem Käfig einen neuen Anstrich verpasst, demonstrativ mitleidvoll händeringend über einen prozentual relevanten Anstieg der psychischen Disfunktionen (d.h. der mangelnden Konformität) der Bevölkerung, hinterrücks händereibend über einen prozentual relevanten Anstieg der Verkaufszahlen der "Krone" und der Einschaltquoten bei "Explosiv".
Ich kriege keine Luft.
Samstag, 3. November 2007
Ein Sternmärchen
Donnerstag, 1. November 2007
1997, 147, 5:20.
Wollen Sie mehr wissen?
Stars orbiting the Supermassive Black Hole at our Galactic Center
This demo shows the observed and predicted orbits of thirteen stars that were used by astronomers at the Keck/UCLA Galactic Center Group to predict the position of a huge black hole at the center of the Milky Way.
Wollen Sie mehr wissen?
Mittwoch, 31. Oktober 2007
Kritik
Ich bin dankbar für diese liebevolle Provokation. Zeugt sie doch von einem aufmerksamen Geist, der meine Aufforderung zur Aufrichtigkeit tapfer wahrgenommen hat. Und von dem Bedürfnis, zwischen den Zeilen lesen zu wollen, was stets ehrbar ist.
Jener Freund fühlte sich auf dieser Seite etwas verloren. Es fehlte ihm quasi der Rote Faden, eine Anleitung zu dieser unkontrolliert entstehenden Lektüre. Das Wissen um einen Plan, die Sicherheit, die ebensolches vermittelt. Schlau zu werden aus dem Text würde bedeuten, schlau zu werden aus dem Lizard. Obgleich jene Erkenntnis auch dem Lizard selbst fehlt, was jedwede Planmässigkeit im Kern vereitelt.
Dennoch ist es angebracht, dies hier als eine Art Vorbereitung zu begreifen. Eine Art Testlauf. Doch wofür? Wohgemerkt entferne ich mich hier bewußt von meiner Identität. Meiner menschlichen Identität, was keineswegs den Verlust meiner Menschlichkeit bedeutet. Gleichzeitig kehre ich jedoch das hervor, was mein Innerstes ausmacht, mit Abstrichen zugunsten des Guten Geschmacks.
Vielleicht modelliere ich ja so etwas wie einen Avatar, ein Abbild meiner selbst, gemäß der Art, wie ich mich selbst zu sehen pflege, abseits jeglicher Erwartungen. Ein Abbild, dessen Identität mehr und mehr, der Mode der modernen Sprache ent-sprechend, an Authentizität gewinnt. Um was zu tun?
Vielleicht, um deine Geduld weiterhin auf die Probe zu stellen, mein lieber Inselopa, bei deiner ewigen Bemühung, zwischen den Zeilen zu lesen?
Vielleicht auch lediglich, um mir die digitale Welt zu Nutze zu machen, mir ein virtuelles Zuhause darin zu schaffen, einen Schrebergarten für meinen Geist...
Samstag, 27. Oktober 2007
Themawechsel
http://www.amnesty.ch/de/kampagnen/stopviolence/zahlen-und-fakten-zu-gewalt-gegen-frauen
oder damit:
http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_wars_and_disasters_by_death_toll
Wie dem auch sei, ich will hier keinem schlechtes Gewissen einreden, aber manchmal fragt man sich echt, was unsere Zivilisation auf einem so schönen Planeten verloren hat...
Euch allen ein schönes Wochenende.
Lizard out.
Ein Stadtmärchen
Da setzt einer, behutsam die Asche am Rand des überfüllten Aschenbechers abstreifend, plötzlich zu einer Geschichte an, wie sie an in einem solchen Moment nicht schöner sein könnte...
Der besagten Person Nichte aus dem fernen Köln, eine Studentin Mitte zwanzig, knackt eines Tages den sprichwörtlichen Jackpot. Ihr wird die zweifelhafte Ehre zuteil, eine Woche lang auf ihren kleinen Bruder aufzupassen (außerhalb der Stadt), da ihren Eltern die Decke auf den Kopf fällt und sie zu einem kurzen Rückzug gen Süden veranlasst, zwecks Urlaub, was der Auserkorenen natürlich jene *nggnnnn*- Reaktion entlockt, aber Pflicht ist Pflicht.
Und so hängt die Studentin im elterlichen Heim herum, sittet Bruderherz (der was eh liab is) und starrt gelangweilt in die Glotze, die gerade (juhu) einen recht kitschigen Märchenfilm zum Besten gibt. Wahrscheinlichkeitsgemäß dauert es nicht lange, bis ein Junger Prinz (inklusive leuchtender Rüstung, weißem Pferd, und was sonst so noch dazu gehört) die Bühne betritt. Und jetzt kommts.
Nicht wissend, wie ihr geschieht, verknallt sich die junge Studierende bis über beide Ohren in den Recken, klebt bis hin zu den Schlußtiteln am Bildschirm und fischt sich fiebrig den Namen des Darstellers aus der viel zu schnell vorbeiziehenden Liste.
Eine kurze Google-Recherche später hat sie eine email Adresse in Bratislava, (natürlich mit zitternder Hand auf eine Serviette gekritzelt). Tief durchatmen. Die Nachricht ist alsbald abgeschickt, es kommt eine Zeit des Wartens und Bangens.
Dann, wenige qualvolle Tage später, die Antwort. Der Prinz (nennen wir ihn Martin) freue sich natürlich, obwohl leicht verwirrt, nachdem ein Freund die gemeinsame mailbox gecheckt und die Nachricht überbracht hatte ("ah ja, hätt´ ich fast vergessen, dir schreibt da so eine aus Köln...").
Es beginnt ein reger email Verkehr. Wenige Wochen später besucht sie ihn zum ersten Mal in Bratislava. Der Empfang am Bahnhof besteht aus einem 50 mal 50cm großen roten Teppich, dem Martin samt Blumen darauf und den Worten "Sorry, einen größeren gab´s nicht." Es folgen schwindelerregende Tage inklusive romantischer Nacht in einem verschneiten mittelalterlichen Schloss. Eine kleine Seitentür erweist sich "zufällig" als unverschlossen, gibt den Weg frei zu einer engen dunklen Wendeltreppe ("Gib mir deine Hand, keine Angst, ich bin ja da..."), die schließlich in Kerzenlicht, Samtvorhänge und Weintraubenschalen mündet...
Heute, knapp ein Jahr nach der Ausstrahlung des Märchenfilms, leben die beiden glücklich und zufrieden zusammen in Köln...
Die Geschichte ist beendet, die Zuhörer sichtlich angenehm verwirrt durch diese unerhörte Begebenheit. Die Zigarettenstummel verbrennen die Fingerspitzen. Plötzich erscheinen Nebel und Kälte gar nicht mehr so erdrückend. Inmitten der kleinen Runde breitet sich herzerwärmende Ruhe aus, die Gewissheit, dass das wahre Leben wohl doch noch die eine oder andere Überraschung birgt, die jeglichen künstlichen Kitsch in den Schatten zu stellen vermag...
Mittwoch, 24. Oktober 2007
Die Beste Band Der Welt...
Was die Jungs mal wieder unter Beweis stellen...
Dienstag, 23. Oktober 2007
Midnight kensho.
Verführerisch und endlos war das Licht Eurer Augen, Eure Umarmung schuf einzigartige Momente der Freiheit, fern jeder Angst. Doch vernichtend war Eure Gleichgültigkeit, und Eure Blicke konnten töten. Euer Zorn war furchteinflößender als ein Cerberus, eure Waffen stets geschärft.
Nur mit Euch war ich rein, integer, ganz. Mit Euch genoss ich Schönheit wirklich, im Angesicht Eurer Schönheit zitternd wie im Rampenlicht, warm und erregt, lustvoll, stark. Die Fragen nach dem Weg und dem Warum entbehrten jeder Düsternis in Eurer Gegenwart.
Ein einziges Lächeln erstickte jegliches Argumentationsbedürfnis. Der Weg war sonnig und klar wie ein Wintermorgen, und das Warum schrumpfte zu dem kleinen Muttermal zusammen, dessen die gesamten Erdölvorkommen des Planeten nicht wert waren. Ihr seid, also bin auch ich.
Regen...
Ein Rauschen im Wald.
Alles kommt hier zusammen -
Kein Wald zwar weit und breit, aber die Stadt gleicht jetzt mehr denn je einem Dschungel. Dennoch die Trauer meinerseits, eine gewisse Sentimentalität, wie eine Decke um meine Schultern gelegt. Die ständige Bewegung in der Luft, das endlose Plätschern und Tröpfeln um mich herum schafft einen Rhythmus, dem ich nicht widerstehen kann. Etwas in mir pendelt sich ein auf diesen Regen, resoniert mit seiner vor Vergänglichkeit strotzenden Melodie, lässt mich ihre Bewegung fühlen, zwingt sie mir auf, macht sie zu meiner eigenen.
Bei Sonnenschein gerät der Kummer dieser Welt für gewöhnlich eher in den Hintergrund, versteckt sich in den kurzen Schatten der Fröhlichkeit. Nun hängt er in all seiner Deutlichkeit über der nassen Stadt, über meinem müden Geist. Selbst das Denken fällt schwer, Worte fliessen träge, bilden vage Strudel, erzeugen chaotische Turbulenzen, lassen keine klaren Konturen entstehen, nur verschwommene Sillhouetten, Bruchstücke von Emotionen...
Nacht.
Go, check these out...
No country for old men
Reservation road
Gone, baby, gone
Southland tales
CU soon
DrunkLizard
Montag, 22. Oktober 2007
Der Neuen Woche Anbeginn.
Current mood: pending
So feierlich wollte man es eigentlich gar nicht sagen. Dennoch schwingt etwas unerwartet Positives darin mit. Etwas Motivierendes, sei es auch nur die Gewissheit, dass der Woche Anbeginn auch latent ihr nicht allzu fernes Ende suggeriert. Doch halten wir uns nicht mit Fragen der Zukunft auf. Man weiß ja nie. Zeitreisende sind wir alle, irgendetwas Unerwartetes hat der Prozess für uns gewiss in petto. Schließlich leben wir in interessanten Zeiten...
Na dann, voran, dem Tag entgegen!
Mann, Mann, da lässt der Lizard ja kräftig den Optimisten heraushängen...
Anders als Trent hier, oder auch Johnny, Gott hab ihn selig...
Sonntag, 21. Oktober 2007
Mission accomplished.
Zwei Stunden durch die Menge schwimmen, teilweise hübsche Lichter und Interieurobjekte sowie unwahrscheinlich häßliche Kleidung begutachten, den aus den Boxen strömenden endlos-loop des Amelie-Soundtracks zur Ohrwurm-Gefahr ansteigen spürend. Jetzt mal ehrlich, gibt es denn keinerlei Innovationsbedürfnis in Sachen Mode?? Dabei würde ich mich ja nun nicht gerade als Koriphäe auf dem Gebiet bezeichnen. Wenn jedoch die rechte Hand mit der Kamera sich nicht ein einziges Mal hebt, obwohl das Auge wachsam ist, weil einfach so rein gar nichts eines zweiten Blickes wert erscheint (und das bei 1GB Platz), gibt das schon zu denken.
Wie dem auch sei, hier ein paar visuelle Eindrücke.
My pesonal favorite: Der Barcube
Sonntag...
Doch halt! Nicht länger vermag der Lizard das Raunen der Enttäuschung zu ertragen. Mutig schreiten wir zur Tat, durch Tee und die mystische Kraft der mächtigen Marla gestärkt.
Demnach Bericht auf heutigen Abend verschoben. Bis also dann.
Samstag, 20. Oktober 2007
Picknick am Wegesrand
Current Mood: Puzzled
Na da schau her, der Lizard bloggt. Ein ehrlicher und unerwarteter Akt von Freiheitsanspruch seinerseits, was erfreulich ist, da stets sehr skeptisch gegenüber jener Möglichkeit per se der Lizard erscheint. Doch warte, warte, laß ihn seine Gedanken erst einmal ordnen, auf dass das Chaos all dessen, das in ihm gart und brodelt (blödelt), uns nicht als unübersichtlicher Mahlstrom ereilt, bar jeglicher Chance auf Nachvollziehbarkeit auch durch geduldigen Leser. Hier zu verweilen heißt, Geduld haben mit dem Lizard, der sich in Aufgeschlossenheit übt. Geduld mit sich selbst zu haben.
Na dann, fühlt euch wie zu Hause, hier ist noch Platz auf meinem Handtuch, greift zu und spart nicht mit Kritik, hab ich alles selbst gebacken...
To Do: Blickfang in wenigen Stunden, zum vierten Mal im MAK, zum ersten für den Lizard. Bericht folgt in Kürze.