Montag, 20. Juli 2009

Lamperl.


Ein hoffnungslos verregneter Abend in Wien, Margareten. Der Trommelwirbel der hornissengroßen Regentropfen auf dem noch brunzwarmen Pflaster der Arbeiterstraße verschluckt jegliches andere Geräusch, spült die Hundescheiße fort - kein Sackerlkacken in der Arbeiterstraße. Die Stadt schlummert bereits, beinahe, oder schnackselt, zumindest, hoffentlich, noch bei offenem Fenster, die Abkühlung willkommenheißend.

Samstagabend, also. Guter Stimmung und heiterer Absicht streunen wir, der Alternativen rar, hinein in diesen Wettpunkt, Schauplatz zahlreicher Schlägereien mit entsprechender Geräuschkulisse zu jeder Uhr- und Jahreszeit, und ab zum Automaten, zwecks Bier, da Durst.

Ausstattung erwartungsgemäß: Plastikstühle, Plastiktisch, obligate Plastikrunde: leere Gesichter, halbleere Gläser. Knapp unter der Decke ein bleicher, stummer Fernseher, Menschen laufen einem Ball hinterher. Hinter der sicherheitsverglasten Pudel die Kompetenzfigur, man sieht ein kahles Schädelnackensegment, dahinter die Backen, schwere Atmung: Kreuzworträtsel. Der Bunker nach allen Seiten abgeschlossen, die Tür hinten, gleich neben dem Automaten, der sich scheu in die Ecke presst, die Narben zahlreicher Schlachten auf dem Spiegelreflexüberkondenströpfchenantlitz verewigt.

Gösser & Ottakringer großzügig auf 1.50 nivelliert, goldene Mitte, sozusagen. Vier von sechs slots schimmern traurig trübrot mit den Lamperln, offenbar leergeräumt ob der späten Stunde. Bleiben noch zwei, nämlich eben Gösser, des Maurers Segen, also rein mit der Münze.

2 Euro poltern schwer durch den Mechanismus. Jetzt den Knopf mit aller Kraft hauen, auf Nummer sicher. Warten auf die Hülse. Das innere Auge ist geblendet von golden aufsteigenden Bläschen, der Magen gibt ein kurzes lautes Knurren von sich. Die Vorfreude oszilliert durch den Raum, steckt sogar die Gestalten am Tisch an, so etwas wie Kommunikation scheint sich anzubahnen. Nur das charakteristische Poltern der Blechdose, das bleibt aus.

Die Augenbrauen rücken näher zusammen, eine senkrechte Furche zuckt über die Stirn. Noch einmal auf den Knopf einprügeln - Nichts. Nacheinander auf beide Knöpfe - immer noch nichts. Dann, die Erkenntnis dämmert bereits, den Retour-Knopf. Selber Effekt.

Auf der Suche nach Hilfe umsehen, Verzweiflung im Gesicht. Kompetenzfigur muß her, da drinnen lebt sie, hinter der Pudel, da ist ja auch die Tür, also angeklopft.

Schleifende Bewegung aus dem Inneren des Bunkers. Die Tür wird mit aller Kraft aufgerissen, der Oger steht keuchend aber bedrohlich im Türrahmen, der Pelz auf den Schultern heiligenscheinig schimmernd, das ergraute Muskelshirt beinahe den Wanst bedeckend, die nackte Glühbirne spiegelt sich in der schweißnassen Glatze.

"Was du bum bum?! Was haben Problem?! Warum immer bum bum, vorne kommen!!!", brüllt der Bunkeroger, rollt wütend mit dem rechten Auge.

Äh. Automat...

"Was Automat?!!!", brüllt er wieder, bewegt sich jedoch schwerfällig Richtung Dispenser.

Äh. Geld rein, nix Bier, nix Geld...

"Was nix Bier?!!Nix meine Automat!!", verkündet er und schlägt wahl- und erfolglos auf Knöpfe ein. Sein Geist macht einen Satz nach vorn. "Leer!!!", schreit er mich über die Entfernung von 20cm empört an, als wäre das allein meine Schuld und ich ohnehin nicht ausreichend intelligent für die Handhabung komplexer Maschinerie. "Müssen schauen auf Lamperl!! Wenn Lamperl brennt - leer!!!", brüllt er mich an und wischt sich mit der freien Hand den Schweiß aus einer buschigen Augenbraue. Die andere trommelt weiterhin auf die Knöpfe ein. "Lamperl brennt!!", triumphiert er. Ich bin verwirrt.

Äh. Lamperl brennt nix, stammle ich und deute auf die zwei toten Lämpchen neben den Gösser-slots. Einen Bruchteil einer Sekunde lang starrt er mich an, als hätte er noch nie einen dermaßen dummen Menschen gesehen. Dann, eine Oktave höher, am Ende seiner Kräfte, die bebenden Fingerspitzen der rechten Hand kindesbelehrend geballt:

"Lamperl KAPUTT!!!"

Sprach, marschierte kopfschüttelnd in seine Höhle, kam wieder heraus, eine Mineralwasserflasche knöchelweiß umklammernd, und drückte sie mir knurrend in die Hand.

Wir gingen zurück in den rettenden Regen, mißbilligende Blicke auf unseren Rücken.

Mittwoch, 17. Juni 2009

Joyce. James Joyce.

"Der Gedanke ist das Gedachte des Denkens." Noch ein Zitat, noch ein James, noch einmal: ein Brite. Erlaubt mir diesen Topf, trotz völlig anderer Schublade.

Dienstag, 16. Juni 2009

Wird es reichen?

Offenbar genügt es einfach nicht, das Richtige zu denken, zu meinen, zu unterstreichen. Man muß es auch noch auf einem Silbertablett servieren. Doch auch dieses soll blankgeputzt, makellos sein. Auch der Inhalt: bloß nicht zu heiß, und ja nicht zu kalt. Beides verbrennt, wird vehement weggestoßen, empört von sich gewiesen, fliegt Einem in flachem Bogen um die Ohren, erreicht, scheinbar relativitätsgebunden, die kritische Masse von Beleidigung, Verletzung, Vorwurf. Waffen werden gezückt, eben nur scheinbar begraben, in Wirklichkeit stets griffbereit unter dem Schleier der Zuneigung ("Ein süßes kleines Nichts, das Sie da beinahe anhaben!"). -*puff*- und weg ist die ohnehin verletzliche Ahnung vom Miteinander, das sensible Gleichgewicht, jene sanft vibrierende Welle, die mühsam aufgebaute Resonanz. Liebe. Liebe ist wieder einmal aufgeschoben. Bis morgen, vielleicht. Aber wird es dann reichen?

Montag, 16. März 2009

And death shall have no dominion.

Und all die Hetzer, Giftverspritzer, Geiferer und Neider werden hier nicht etwa auf taube Ohren stoßen. Alles reaktionäre (sic!) Gesindel kann sich sicher sein, dass dümmliche Diskretion nicht zu meinem Arsenal gehört, und himmelschreiender Ignoranz stets mit vehementer Entschlossenheit begegnet wird.

Obwohl, an welche Ebene des Denkens kann appeliert werden, wenn Menschen sich stolz und zuallervorderst als "Steuerzahler" bezeichnen, sich blind festhaltend an dem Bisschen aufgemalter Sicherheit, das ihnen so unverschämt dilettantisch vorgegaukelt wird?

Doch dulden werde ich es sicher nicht.

And death shall have no dominion.

Donnerstag, 12. Februar 2009

Наша Russia.


Interessante Feststellung. Der russische Geist neigt, erfahrungsgemäß, persistent zu der Überzeugung, das Leben spiele ihm übel mit. Der sprichwörtliche Stein des Weltschmerzes lastet schwer auf seinen ohnehin von Peitschenhieben der Unterdrücker zerschundenen Schultern. Dem felsenfesten Glauben frönend, der Rest der Welt habe ihn gar nicht lieb, verbeißt man sich in diese, frei nach Zadorny, selbstauferlegte "heilige Mission", resigniert gegenüber der kosmischen Ungerechtigkeit und leckt seine Wunden in stolzer Einsamkeit, wissend, daß man von niemandem Verständnis erwarten darf.

Ob Dima Medvedev diesen edlen Makel teilt, bleibt dahingestellt. Sein Musikgeschmack ist bekanntlich nicht von schlechten Eltern.

"Stupid bastards and religious freaks. So safe in their castle keeps. They turn away as a mother weeps. Under the gun."

Deep Purple - Under the Gun