Samstag, 26. Januar 2008

Men at arms...

Dein digitales Artilleriefeuer auf Stefans Flanken hat mich, ehrlich gesagt, ein wenig erstaunt. Daher möchte ich mal eben eine rein theoretische Überlegung anstellen, nur um zu sehen, ob ich logische Fehler begehe. Sollten Dir solche auffallen, ersuche ich höflichst um Korrektur.
Die Konzeption eines selbstorganisierenden Systems setzt doch (wie gesagt, rein theoretisch) das Unterlassen jeglicher globaler (das ganze System betreffender) progressiver (die Zukunft modellierender) Maßnahmen voraus. Widrigen Falls verliert das System seine durch dezentrale Entwicklung erworbenen sozioevolutionären Eigenschaften und verkommt zu einem zentral gesteuerten System.

Wenn zu einem gegebenen Zeitpunkt ein Eingriff in die (bis zu jenem Zeitpunkt natürliche) Struktur des Systems erfolgt, wird der Handelnde, wie Du es sensibel formuliert hast, zum Arschloch. Oder, anders gesagt, zum Märtyrer (einer für alle).

Im Zusammenhang mit meinen "Vorsätzen", die, wie Du treffend erkannt hast, auch an diesem Konflikt kratzen, möchte ich bemerken, dass (die Geschichte lehrt es uns) dem Märtyrer nur selten die den Konsequenzen entsprechende Ehre zuteil wird. Darüber hinaus, jedoch, komme ich nicht umhin, Dir einen gewissen persönlichen Hang zum Märtyrertum zuzuschreiben. Der Pathos des Märtyrers ist ein edler und in mancherlei Hinsicht attraktiver.

Die Vorstellung eines evolutionär gesteuerten Systems ist mir dennoch nicht abzubringen, da ich ob ihrer Funktionalität und Anwendbarkeit mein Dasein formuliere. Jegliches System funktioniert DANK ihrer Bestandteile - NICHT ihrer obgleich.

Konflikte, ihrerseits, sind, ergo, Bestandteil einer ENTWICKLUNG, nicht der Eindämmung. Jeglicher Versuch des Unterbindens eines (vermeintlich) negativen Prozesses führt unweigerlich zur Blockade jeglicher stattfindender Entwicklung per se, indem der Eingriff in ein gegebenes System, allein durch den Akt, jegliche Evolution vereitelt (Die Hand Gottes).

Am Ende des Tages, wenn Agnostiker meiner Art mit der Konzeption einer zwar einheitlichen, doch mitnichten berechenbaren Welt aus Licht und Konsequenz, aber auch aus der Relativität, aus der Interferenz aller seiner Bestandteile, und nicht zuletzt aus der Schöpfung, Frieden zu schließen vermögen, abseits der Frage nach der Zuständigkeit Gottes; am Morgen jenen Tages wird unsere Spezies ihren Blutdurst hinter sich gelassen haben.

Aber ich werde abstrakt. Wandere durch Ebenen meiner Begrifflichkeiten, auf der verzweifelten Suche nach dem Schlüssel zu diesem lächerlichen, unwürdigen Konflikt. Hierbei geht es nicht um Weltbilder, nicht um die Konzeption einer Perspektive, nicht um Werte, obleich jene in einer Gegenüberstellung stets als Platzhalter der reinen Emotion herhalten müssen. Hier geht es (und es schmerzt mich) um das Territorium. Diese Motivationsgrundlage kann ich nicht vertreten. Weder in Deinem Kampf gegen das "Gift" des in einem zufälligen Feindbild verkörperten Selbstbestimmungsversuchs, noch in seinem "Widerstand" gegenüber der "Verkorkstheit eines sich selbst und seine Inselrepublik bedroht Fühlenden".

Ich bin nicht dazu in der Lage, würde es gar als eine Art Verrat an meiner Selbst erachten, Partei zu ergreifen. Du weißt, dass ich stets versucht habe, einen Weg der Mitte einzuschlagen. Nicht aus Furcht, nicht aus Gefälligkeit, sondern aus dem Gefühl heraus, die Wahrhaftigkeit eines jeden Individuums zu ehren, ohne zu hinterfragen. Denn ich kann immer fragen:"Weshalb?", doch die Erkenntnis der Motivation eröffnet mir lediglich die Pforten des Begriffes, die Umstände der Ereigniskette, nie aber solche der Wahrheit, da diese stets subjektiv bleibt, auch ohne Einstein, ohne quantenmechanisches Verständnis von Raumzeit (und dies ist keine Floskel; meine Vorstellung von Ordnung hinter dem Chaos deckt sich sowohl mit naturwissenschaftlichen, als auch mit alt-(genuin-)christlichen, oder von mir aus buddhistischen oder auch hinduistischen Erkenntnissen).

Abschließend. Wenn der Druck zu groß wird, findet die gestaute Energie stets ein Ventil, einen Ausweg. Nur selten sind jene Wege, jedoch, erfüllt von dem Gefühl der Befreiung, Befriedigung, Besinnung. Meist wird der Fokus einer plötzlich ausbrechenden Emotion zu einer Messerspitze, zitternd und bebend, bereit, ein Ziel zu finden und zu vernichten (seek & destroy). Jegliche Konsequenz wird kollateral. Die Bewegung als solches wird, ihrerseits, zentral. Man verliert den "grip", und jegliche nüchterne Relation weicht wehenden Fahnen. Und dann ist es meistens zu spät. Denn, wie ein alter, der Napoleon-Zeit entstammender russischer Spruch lautet:

"Nach der Schlacht gehört das Schlachtfeld nur noch den Marodeuren."

In aufrichtiger Liebe,

Alexej.

P.S.: Das altrussische "glas", oder heute:"golos", heißt:"Stimme". Daher vereint der Begriff "Glasnost" zweierlei Ebenen. Zum einen das Recht auf die Stimme innerhalb einer (proklamierten) Demokratie, zum anderen die allgemeine Freiheit des Geistes, sprich: die Freiheit zur Selbstbestimmung.

Auf dass man Recht und Freiheit unterscheiden möge.

P.P.S.: Mögen wir beide nie in die Verlegenheit kommen, die Begrifflichkeiten von Sittlichkeit und Moral (respektive Ethik) auseinandernehmen zu müssen - Du würdest toben! ;)

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